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"Perners Notizen" | Wiener Zeitung

„Perners Notizen“ in der
„Wiener Zeitung“

Manchmal ist es allein der Titel, weswegen ein Buch in die Bestsellerlisten aufsteigt. Bei „Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin“ war es so – immerhin wurden damit geheimste Sehnsüchte aufstiegswilliger Frauen aktiviert, auch wenn sie tatsächlich auf Grund der lang verdrängten, nunmehr ausgelebten bösen Schattenseite vor allem am Arbeitsamt oder vor dem Scheidungsrichter landeten.

Oder „Warum Männer nicht zuhören und Frauen nicht einparken können“: ein genialer Titel! Suggeriert er doch Frauen, endlich das Geheimnis der verklebten Männerohren ergründen zu können … Und Männern verspricht er Argumentationshilfen gegen aufkeimende Unterlegenheitsgefühle, wenn Statistiken beweisen, dass Frauen den besseren weil weniger unfallprovozierenden Teil der Autolenkerschaft stellen.

Autolenkerschaft. Gar nicht so leicht, geschlechtsneutrale Formulierungen zu konstruieren!

Mit Sprache malen wir geistige Bilder, und die Verwendung allein männlicher Formen (z. B. Autolenker oder – vertrauter – Autofahrer) behindert das präzise Abbilden einer Wirklichkeit mit männlichen und weiblichen Personen. „Böse Mädchen“ sehen darin einen unterschwellig zielgerichteten Vernichtungsversuch weiblicher Mitwirkung an der Gestaltung der Wirklichkeit. „Brave Mädchen“ hingegen werden ihr Augenmerk in die andere Richtung – in die Vergangenheit – wenden und es durchaus verständlich finden, dass in den Zeiten, in denen „anständige“ außerhäusliche Arbeitsplätze für Frauen Mangelware waren, sich Männer die Außenwelt untereinander aufteilten und Frauen logischerweise bestenfalls als gute Partie nach Erbschaft – also wiederum „über“, nämlich „nach“ einem Mann – Aufmerksamkeit erregte.

Je nachdem, ob Aufmerksamkeit erregt oder vermieden werden soll, wählen wir Sprachformen, die auf Gefühlsreaktionen zielen; dazu zählen auch Anklänge an Erfahrungen, die Über- oder Unterlegenheitsgefühle auslösen.

Wer Geschwister hat, kennt nur zu gut, wie weh es tut, wenn einer/m Bruder oder Schwester als Vorbild vorgehalten wird – und wer keine hat, wundert sich oft über unverständliches Rivalisieren in Situationen, in denen keinerlei Wettbewerb angesagt ist. So höre ich oft von Teilnehmer/innen in meinen Konfliktlösungs-Seminaren die Frage, warum manche Kollegen (bewusst männliche Form!) bei jeder sich bietenden Gelegenheit von ihren „Heldentaten“ berichten, den beruflichen wie auch privaten, und bei letzteren oft haarscharf an der Grenze zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz dahinschlittern.

Eine Erklärung wäre bewusstes oder unbewusstes Konkurrieren gegen anwesende oder imaginierte „Geschwister“. Power Play. Machtkampf gegen den Zuhörer, die Zuhörerin mit der sublimen Schlagzeile: „Ich bin besser als Du!“ Oder andersrum: „Achtung – wenn Du besser bist als ich, werde ich Dich vernichten!“ Das ewige Kain- und Abel-Geschehen, aber nicht nur unter Brüdern.

„Diese Männer haben Geschichte geschrieben. Und für uns.“ So steht es im Zeitungsinserat der „Presse“ unter den Bildern von Hugo v. Hofmannsthal, Karl Marx und Arthur Schnitzler. Und weiter: „Es kann kein Zufall sein, dass die klügsten Köpfe des Landes schon immer gerne für „Die Presse“ geschrieben haben …“ Erste Assoziation: Schon wieder keine Frau dabei! Zweite Assoziation: Kein Wunder in Österreich, wo sich sofort „männlicher Protest“ erhebt, wenn die Sängerin Tini Kainrath wagt, „Heimat bist du großer Söhne“ durch „Töchter“ zu ergänzen. Dritte Assoziation: „Die Presse“ als „Bruder“ von NEWS, das 1999 als Cover des „Hefts des Jahrhunderts“ zwischen Franz Joseph I., Freud, Haider, Kreisky, Lauda nur drei Frauen präsentierte: ganz vorne die nackte Sonja Kirchberger, weiter dahinter die nackte Romy Schneider – und ganz hinten, ganz klein den Kopf von Bertha v. Suttner.